Wie eine moderne Unternehmenskultur das Recruitment fördert
Employer Branding ist ein Buzzword geworden. Weil es heute die Bewerber sind, die fragen: „Warum sollte ich mich ausgerechnet für den Job bei Ihnen entscheiden?“, müssen sich Unternehmen mehr denn je als attraktive Arbeitgeber positionieren. Gerade den heiß umkämpften ITlern, Online Marketern und Managern muss eine überzeugende Entscheidungsgrundlage geboten werden. Doch wie gelingt das?
Was so einfach klingt, ist in Wahrheit jede Menge Arbeit. Viele Unternehmen machen sich nie grundlegend Gedanken darüber, wofür sie eigentlich stehen, wie die Mitarbeiter ticken sollten, die sie suchen, und was sie ihnen in Sachen Entwicklung, Verantwortung und Kultur eigentlich anbieten können und wollen.
Schlimmer noch:
Viele Unternehmen kommen gar nicht auf die Idee, ihre Zielgruppe einfach zu fragen, was ihnen wichtig wäre. Das ist umso fataler, weil bestimmte Spezialisten in digitalen Berufsfeldern so rar gesät sind, dass sie sich ihre Jobs aussuchen können. Die Verhandlungsmacht liegt mittlerweile auf Seiten der Kandidaten und nicht selten gehen Unternehmen Kompromisse ein, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Teilzeitmodelle, Home-Office-Regelungen, Sabbaticals, Prämien für schnell unterschriebene Verträge und flexible Urlaubsregelungen gehören dazu.
Orientierung an den eigenen Werten
Eine Arbeitgebermarke steht und fällt mit den Werten, die einer Unternehmenskultur zugrunde liegen. Wo Loyalität von der Mehrheit des Teams als zentral angesehen wird, sollte nach Bewerbern gesucht werden, die Job-Hopping nicht zum persönlichen Prinzip erklärt haben.
Bedeutet das für Unternehmen, noch stärker auszusortieren und auf dem begrenzten Arbeitskräftemarkt auch noch danach zu schauen, dass die Werteebene passt? Um dann sogar noch individuelle Vergütungs-, Urlaubs- und Arbeitzeitmodelle zu stricken?
Unbedingt! Und zwar nicht nur, weil das eine langfristigere Passgenauigkeit sichert als sich ausschließlich auf Fachkompetenzen zu verlassen. Fachkompetenz lässt sich im Zweifel erlernen und entwickeln, während persönliche Werte vom Unternehmen kaum modifizierbar sind.
Employer Branding hat daneben auch einen ganz marktorientierten Sinn: Die heute am meisten gesuchten Spezialisten sind nicht auf dem freien Markt und suchen in den allerseltensten Fällen nach Jobs. Posting, Anzeigen und Messen sind also – zumindest bei der Suche nach Spezialisten mit Berufserfahrung im Online-Bereich – verschwendetes Geld.
Aufbau eines Experten-Netzwerks
Unternehmen sollten eine Präsenz zu entwickeln, die potenzielle Mitarbeiter dort abholt, wo sie sich ohnehin aufhalten: durch Fachbeiträge in Blogs und Magazinen, die nicht vordergründig auf Job-Optionen hinweisen. Durch eine unterhaltsame und prägnante Präsenz in den Sozialen Medien, die für die avisierten Kandidaten auch thematisch spannend ist.
„Passives Recruiting“ kann man das auch nennen oder schlicht: permanenter Austausch mit potentiellen Mitarbeitern und Fachkräften, die man (irgendwann einmal) brauchen könnte. Ein solcher Austausch hat nicht nur den Vorteil, dass man Talente und Spezialisten im eigenen Netzwerk hat und quasi „nur“ zuschlagen muss, wenn sie an eine berufliche Neuorientierung denken. Gleichzeitig gewährleistet der Austausch mit Digital Natives und den gesuchten Experten, dass das Unternehmen ein Ohr am Markt hat und in der Organisationsgestaltung zukunftsfähig bleiben kann.
Entscheidend: Starke Produktmarke und Mitarbeiterzufriedenheit
Für Employer Branding gibt es keine Universalrezepte und alle Best-Practice-Beispiele können letztlich nur als Inspirationen für den Aufbau der eigenen Arbeitgebermarke dienen. Gerade in der Boombranche Internet ist zudem auffällig, dass vollkommen unterschiedliche Konzepte als Employer Branding funktionieren – oft genug solche, die gar keine Konzepte sind.
An sich starke Marken und die Startups, denen es gelingt, Buzz zu generieren, haben auch als Arbeitgeber ganz gute Karten – völlig egal, ob dahinter tatsächlich eine Unternehmenskultur mit dem Potenzial zur Mitarbeiterentwicklung und -bindung steckt.
Startups wie Amen, Soundcloud, Wooga und Zalando haben keine Probleme mit Bewerbungseingängen, einfach weil der Hype um sie für Anziehung auf Bewerberseite sorgt.
Dabei wirke sich die starke Markenpräsenz des Unternehmens definitiv positiv aus – sowohl auf die Anzahl der Bewerbungen als auch auf die Arbeitgebermarke. „Zalando ist eine Erfolgsgeschichte in den Augen der Kunden und das macht uns automatisch als Arbeitgeber interessant. Das erleichtert uns definitiv auch den Aufbau der Arbeitgebermarke: 60 Prozent einer Arbeitgebermarke werden über die Produktmarke definiert, wir justieren nur an den Stellen nach, wo die Produktmarke die Arbeitgebermarke falsch oder unzureichend widerspiegelt.“
„Der Aufbau einer Arbeitgebermarke ist ja nicht mit der Einstellung des Mitarbeiters beendet. Der wichtigste Faktor sind die Mitarbeiter selbst, sie sind die eigentlichen Werbeträger. Daher spielen Themen wie Mitarbeiterzufriedenheit, Entwicklungsmöglichkeiten, Arbeitsatmosphäre und Teamevents bei uns eine zentrale Rolle beim Bau der Arbeitgebermarke.“
Wichtig: „cultural fit“ und Selbstverantwortung
Starke Produktmarken erleichtern die Kommunikation nach außen und erhöhen die Anzahl der Bewerbungen, die Arbeit an den „inneren Werten“ können sie allerdings nicht ersetzen. In Zeiten von Social Media und ihrer zielgruppengenauen Kommunikation haben kleine Unternehmen damit gute Karten gegenüber grossen, etablierten Unternehmen. Die Atmosphäre und Entwicklungsmöglichkeiten sind in kleineren Unternehmen oft besser als in Großunternehmen und das lässt sich über alle Sorten von Social Media bestens kommunizieren.
Ein schönes Beispiel für Employer Branding eines kleineren Unternehmens ist der Website-Bauer Jimdo in Hamburg. 2007 gegründet, hat das Unternehmen inzwischen 110 Mitarbeiter, was einem Teamwachstum von 50 Prozent im Jahr entspricht. Das Unternehmen funktioniert ohne große Hierarchien und Strukturen.
Im Recruiting wird deshalb neben den fachlichen Qualifikationen vor allem auf zwei Dinge geachtet – den „cultural“ fit und Selbstverantwortung. Die lockere Arbeitsatmosphäre des Unternehmens transportiert sich dabei schon in den Stellenanzeigen. Gesucht werden zum Beispiel ein „JavaScript Styler“ oder auch ein „Dr. DevOps“, die Texte sind kurz, auf prägnante „Aufgaben“ und „Anforderungen“ beschränkt und in lockerem Ton geschrieben. Zudem hat die Hamburger Firma die Pflege der Unternehmenskultur und der Mitarbeiterzufriedenheit kurzerhand mit einer Stelle besetzt – einer Feelgood-Managerin diese stärkt die Unternehmenskultur und sensibilisiert für sie, indem sie zum Beispiel neue Mitarbeiter einführt, Teamevents organisiert und positives wie negatives Mitarbeiterfeedback einsammelt und an die richtigen Stellen bringt.
Für die Arbeitgebermarke ist eine solche „Hausmeisterin der Unternehmenskultur“ Gold wert. Werte und Kultur sind dadurch transparent und präsent, was die Kommunikation – auch durch Mitarbeiter – erleichtert. Unzufriedenheit und schlechtes Feedback werden im Ansatz abgefangen und bestenfalls behoben und zwar unter Einbindung des Teams – mehr bleibt für die Grundlage einer authentischen Arbeitgebermarke kaum zu wünschen übrig.
Fazit: volatile Strukturen
Der wichtigste Faktor für die Stärkung der eigenen Arbeitgebermarke ist es, als Unternehmen genau zu wissen, wofür man steht: Angefangen bei Werten und Kultur bis hin zu konkreten Arbeitsbedingungen. Dabei sollten Firmen die größtmögliche Offenheit an den Tag legen und den Austausch mit Mitarbeitern nutzen, um die eigene Marke weiterzuentwickeln. Mitarbeiterzufriedenheit will gepflegt sein und braucht ständige Entwicklung – das Team ist Multiplikator und einer der wichtigsten Werbeträger.
Wer schon eine starke Produktmarke hat, hat in Bezug auf die Kommunikation gute Karten: Dank der massiven öffentlichen Präsenz braucht oftmals nur noch nachgesteuert werden. Das A und O ist dabei die klare Orientierung an der Zielgruppe. Unternehmen müssen potenzielle Bewerber und Einsteiger dort abholen, wo sie stehen – egal ob das Social Media, fachspezifische Medien, Veranstaltungen oder eben Bildungseinrichtungen sind.
Im „War of Talents“ haben wiederum kleinere Firmen tolle Vorzüge: Überschaubarkeit, Verantwortung und Offenheit der Strukturen entsprechen den Präferenzen vieler jüngerer Arbeitnehmer und sind im Employer Branding daher wertvolle Wettbewerbsvorteile, die kommuniziert werden sollten. Bei der derzeitigen Projektarbeits-Präferenz und kürzer werdenden Zyklen der Unternehmenszugehörigkeit kommt es vor allem darauf an, nicht partout an alten Strukturen festzuhalten, sondern im Zweifel darauf zu setzen, was Mitarbeiter – die unter Umständen immer öfters Freelancer oder Kooperationspartner sein werden – leistungsfähig und zufrieden hält.
Die Suche nach ITlern bleibt angesichts des Spezialistenmangels und noch fehlender Bildungsformate eine Herausforderung. Wer ITler braucht, muss sein Employer Branding auf diese Zielgruppe hin zuspitzen, die eigenen Möglichkeiten aber gleichzeitig realistisch einschätzen – ein gutes IT-Team aufzubauen, dauert leicht mal ein paar Jahre. Eine bessere Möglichkeit kann es manchmal sein, mit Entwickler-Netzwerken wie zum Beispiel de:volute im engen Kontakt zu stehen und deren Ressourcen zu nutzen.